Sächsische Zeitung
12.05.2004

Hilfe, die Räuber kommen

Karasek lädt sich Kollegen aus ganz Deutschland ein zum großen Sommer-Treffen
in der Oberlausitz


Lausitz schließe deine Pforten, Väter verbarrikadiert die Häuser, Mütter sperrt die Töchter weg. Im August ist großes Räuberlager und die Karasek-Schenke in Leutersdorf bei Zittau wird zum Hauptquartier.

Die Räuber alter Tage rotten sich zusammen. Räuberhauptmann Johannes Karasek alias Sven Heine aus Mittelherwigsdorf hat sie gerufen: Stülpner Karl, Schinderhannes, Parscher Friedel, Lips Tullian, Hiasl und den alten Kumpan Wenzel Kummer. Und sie kommen.

Seit anderthalb Jahren schmiedet der Jungunternehmer Heine gemeinsam mit dem Verein Karasek und den Dörflern an diesen Plänen. "Um den Tourismus in der Region anzukurbeln", wie er sagt. Denn die Räuber waren doch fast alle heimliche Volkshelden, deutsche Robin Hoods, was auch immer sie auf dem Kerbholz hatten. Über sich selbst verrät er nicht viel. Nur, das er um 1764/65 geboren wurde, und Schnaps sein Geschäft sei.

Toll getrieben mit Raub, Mord und Erpressung

Gut, halten wir uns an Herrn Karasek. Das erste deutsche Räubertreffen will er veranstalten. Den Schulterschluss mit Kollegen Karl Stülpner (Ralf Görner) aus Scharfenstein in Westsachsen hat er schon vollzogen. Friedliche Mittel g eben sie vor. Ein Volksfest soll es werden: Markt und Handwerk, Bier und Musik, dazu ein Wettstreit der Räuberburschen. Karasek hat sie herausgefordert, Kräfte wollen sie messen. Und alles Volk ist eingeladen. Auf eigenes Risiko versteht sich.
Geschützvorführungen, Gerichtsprozesse, Truppenaufmärsche, Räuberlieder, Lagerfeuer - ganz wie in den alten Zeiten des 18. Jahrhunderts. Damals beschränkten sich die einen, wie der Stülpner Karl, aufs Stehlen, Schmuggeln oder Wildfrevel, andere, der Schinderhannes zum Beispiel, schreckten auch vor Raub, Erpressung und Mord nicht zurück.


Freilich, ganz so unzivilisiert wie einst dürfen sich die Halunken nicht mehr benehmen. Der Leutersdorfer Bürgermeister steht zwar voll und ganz hinter dem Treffen, doch um Haftpflichtversicherung, Schwarzpulverscheine und Genehmigung für die Kanonen kommen die Herren Räuber nicht herum. Sie wollen die Untaten ja auch gar nicht schönreden, "sondern zeigen, wie es zum Räuberleben gekommen ist", so Sven Heine.

Im wirklichen Leben sind die Gauner übrigens ganz brave Burschen, sesshaft in Bayern, Sachsen und Thüringen. Nur voll Begeisterung für alte Geschichten und Gruselstoff. Die teilt Sven Heine. Schon als Kind hat ihn alles fasziniert, was historisch war. "Weil man in der DDR so wenig von der wahren Geschichte erfahren hat."
Mittlerweile hat er eine eigene Geschichte geschrieben. Wie sollte es anders sein - die vom Karasek natürlich. Ein Theaterstück "Auszug aus der sächsischen Kriminalgeschichte" soll das Leben, Leiden, Lieben des Johannes Karasek unter die Leute bringen. Das Ein-Mann-Stück ist eine Mischung aus Hörspiel, Geschichtsstunde und Drama. Heine ist und spielt Karasek. Regie führt der Schauspieler und freie Regisseur Jan Baake.

Als Gefangener an den Pranger

Und Heine treibt es noch weiter. Nach dem Räubertreffen will er wortwörtlich auf den Spuren des Räuberhauptmannes wandeln. Er lässt sich verhaften und tritt Karaseks Weg in die Gefangenschaft an. Zwei Dragoner werden ihn nach Dresden führen, unterwegs wird er sich in Bautzen sogar an den Pranger stellen.
Dresden selbst bleibt ihm vorehrst verwehrt. Denn auch wenn man einst froh war, den Räuber hinter Schloss und Riegel zu wissen, will man den neuen Hauptmann nicht so gern in den Stadtmauern sehen. Karasek beim Stadtfest - das wurde glatt abgelehnt.

Wer weiß, ob sich die Räuber dafür nicht rächen. Denn dem diesjährigen Treffen sollen Jahr für Jahr weitere folgen. Von einem Räubersitz zum nächsten wollen sie ziehen. 2005 ist die Burg Scharfenstein dran. Dann kommen Angst und Schrecken in den Westen Sachsens und die Lausitzer können endlich wieder ruhig schlafen.